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Der Heimatgeschichte auf der Spur

Jüdisches Leben in Burghausen – eine Exkursion der 9. Klassen
Am Dienstag, dem 21.05.2019, machten wir, die 9a des AVG, wie auch die anderen beiden neunten Klassen bereits am Vortag, uns auf den Weg, den jüdischen Spuren in Burghausen zu folgen.

Als Spezialist durften wir Hr. Dr. Michael Petery begrüßen. Von Beruf Psychotherapeut, ist er Mitglied der liberal-jüdischen Gemeinde in München.

Aufgrund des schlechten Wetters starteten wir unseren Tag im Klassenzimmer, wo Hr. Petery uns zuerst einen Überblick über das jüdische Leben in Burghausen gab.

Schon im Mittelalter gab es eine große jüdische Gemeinde in Burghausen. Doch als vom 16. bis zum 18. Jahrhundert die „Judenfreiheit“ in Nieder- und Oberbayern Gesetz wurde, gab es auch in Burghausen keine Juden mehr. Das änderte sich jedoch, als im 19. Jahrhundert unter Napoleon das Königreich Bayern entstand. Damals wurde Franken ein Teil Bayerns und in Franken lebten sehr viele Juden. Napoleon stellte jedoch die Forderung, dass Juden nur dort leben durften, wo sie bereits waren. Zudem gab es zu dieser Zeit rund 200 Synagogen in Bayern.

Mit der Reichsgründung 1771 wurde beschlossen, dass Juden die selben Bürgerrechte besitzen sollten, wie jeder andere Bürger.

Als bekanntes Beispiel aus Burghausens neuerer Geschichte erzählte Hr. Petery uns die Geschichte des gebürtigen Juden Dr. Eugen Galitzenstein. Als Chemiker bei Wacker leistete er einen kriegswichtigen Beitrag zur Giftgasproduktion im 1. Weltkrieg. Anlässlich seiner Hochzeit trat Galitzenstein zum evangelischen Glauben über. In der Progromnacht im Herbst 1938 wurden im gesamten deutschen Reich Synagogen, jüdische Geschäfte und Häuser zerstört. Da es in Burghausen zu dieser Zeit jedoch weder eine Synagoge, noch eine jüdische Gemeinde noch hier wohnende Juden gab, geriet Galitzenstein ins Visier der Nationalsozialisten. Folglich wurde sein Haus in dieser Nacht von etwa 50 Mann umstellt, die ihn letzten Endes in Schutzhaft brachten, also ins Konzentrationslager nach Dachau. Glücklicherweise schaffte es sein damaliger Chef bei Wacker Johannes Hess, ihn nach 6 Wochen zurück nach Burghausen zu holen. Galitzensteins erste Aktion war es, seine Familie in Sicherheit zu bringen. Er organisierte ein Auslandsvisum für seine Frau und die drei Kinder. Er selbst wurde aufgrund dessen, dass er einer der besten Chemiker Deutschlands war, von Johannes Hess nach England zum Wackerwerk geschickt. 1947 verstarb er eines natürlichen Todes in London. (→ https://regiowiki.pnp.de/wiki/Eugen_Galitzenstein )

2005 wurde die Villa Galitzenstein in Burghausen abgerissen. 3 Jahre später jedoch wurden wegen des, erst zu diesem Zeitpunkt festgestellten Denkmalschutzes, die Grundrisse der Villa wieder markiert. Walter Galitzenstein, Eugens Sohn besuchte noch bis zu seinem Tod vor einigen Jahren regelmäßig seine Heimatstadt Burghausen.

Erzählte Geschichte-Villa Galitzenstein

Anschließend machten wir uns trotz starken Regens auf den Weg, um die Überreste der Villa Galitzenstein zu besichtigen. Neben den Grundrissen konnten wir fünf, in den Boden eingelassene, Stolpersteine als Denkmal für die Familie finden. Diese Stolpersteine sind in jeder Stadt zum Andenken an die Holocaustopfer vor den Türen der Personen, zusammen mit einer kurzen Biographie zu finden. Hr. Petery berichtete, dass er sogar in Griechenland bereits auf Stolpersteine gestoßen ist. (→ http://www.stolpersteine.eu/ )

Neben dem Grundriss ist eine weitere Gedenktafel zu finden. Diese dient als Andenken an Josef Stegmair, Josef Scheipel und Ludwig Schön. Die drei Männer arbeiteten bei Wacker, wo sie am 28.04.1945 – zehn Tage bevor die Amerikaner zur Befreiung kamen – von der SS umgebracht wurden, weil sie Teil der sogenannten Freiheitsaktion Bayern waren, bei welcher überall in Bayern weiße Fahnen gezeigt wurden, um den Amerikanern die kampflose Kapitulation zu demonstrieren und sie durch Nazis an die SS verraten worden sind.

Das Fazit des Spezialisten, das er uns mit auf den Weg gab war, dass der Holocaust eine Verbindung zwischen Juden und uns allen geschaffen hat und als Mahnung fungieren muss, dass Derartiges nie wieder passieren darf. Dabei merkte er das Zitat „Die Würde des Menschen ist unantastbar. GG Art.1“ am Eingang unserer Schule als positives Zeichen an, das den deutlichen Wandel im Denken der Gesellschaft demonstriert.

Anschließend gingen wir noch kurz zum Aussichtspunkt vor der Burg um auf den Friedhof am Pulverturm zublicken, was wir jedoch nach kurzer Zeit aufgrund des schlechten Wetters aufgaben und zurück zur Schule gingen. Dort erzählte Herr Petery uns noch etwas über den Burghauser jüdischen Friedhof.

Die Opfer des KZ Dachau Außenlagers Mühldorf Hart, die dort in Massengräbern verscharrt worden waren, mussten nach der Befreiung durch die Amerikaner von den ehemaligen Mitgliedern der NSDAP selbst, unter Aufsicht der amerikanischen Soldaten wieder ausgegraben werden und wurden in die umliegenden Städte verteilt. So auch nach Burghausen, wo sie würdig bestattet wurden. Heute sind dort zur Hälfte Kreuzgrabsteine und zur Hälfte Grabsteine mit dem Davidsstern zu sehen, um darauf hinzuweisen, dass es sich bei der Hälfte der Ermordeten um Christen handelte, die Hitlers Rassenpolitik zum Opfer gefallen sind. (→ http://www.kz-gedenk-mdf.de/mettenheim-i )

Zum Abschluss betete Hr. Petery noch das jüdische Totengebet „Kaddisch“, sowohl auf deutsch als auch auf hebräisch, in welchem vorrangig um Frieden gebeten wird.

Wir bedankten uns bei Herrn Petery für die interessante Reise, die uns die jüdischen Spuren, die auch in Burghausen zu finden sind, nähergebracht hat.

Für Diejenigen, die im Anschluss noch Fragen hatten, nahm Hr. Petery sich gerne noch etwas Zeit und erzählte uns auch noch einiges Spannendes über seine eigene Vergangenheit und Geschichte.

Text: Nicole Hell und Mona Vorderobermaier, beide 9a        Fotos: I. Burkert

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